Nun war es tatsächlich schon wieder 25 Jahre her, dass die Interflug-Crew H.-Dieter Kallbach, Peter Bley, Rudolf Döge und
Ulrich Müller nach langer und akribischer Vorbereitung am 23. Oktober 1989 die DDR-SEG auf einer unbefestigten Rasenfläche landeten.
Das Jubiläumsfest war von allen Beteiligten unter Führung des Vorsitzenden des Otto-Lilienthal-Verein e.V. Stölln, von Herrn
Horst Schwenzer, mit viel Elan vorbereitet worden und wurde so auch zu einer erlebnisreichen Veranstaltung über den gesamten Tag
hinweg.
Zu Beginn begrüßten sich Besatzung, die damalige Bürgermeisterin Sybille Heling und Herr Schwenzer intern mit einem
Glas Sekt in der mittleren Passagierkabine. Danach gab es einen Fototermin mit der Original-Crew im Cockpit (jeder auf seinem Platz).
Inzwischen hatte sich am Flugzeug eine ansehnliche Menschenmenge versammelt und viele Bekannte begrüßten sich. Dieter Kallbach
sprach nun, auf der Gangway stehend, über diese gesamte lange Vorbereitung der Überführung, die ganze Story von der "Schnapsidee"
bis zur erfolgreichen Vollendung. Dabei wurde er immer wieder vom spontanen Beifall unterbrochen. Danach sprach Herr Schwenzer
über die Arbeit seines Vereins und bedankte sich bei seinen Vereinsmitgliedern und allen am Erfolg beteiligten Gemeindevertretern
und Bürgern von Stölln für ihre Unterstützung. Schließlich sprach die ehemalige Bürgermeisterin von Stölln, Sybille Heling,
leidenschaftlich über die ganze Vorbereitung der Landung von ihrer Sicht aus. Wie sie ihre Gemeindevertreter damals vom Gelingen
des Vorhabens überzeugt hat und wie sie mit den Menschen von Stölln die Vorbereitung der Landefläche und alle Sicherheitsvorkehrungen
organisiert hat. Die Vorgänge am Tag der Landung beschreibt sie sehr emotional und sie bekommt kräftig Beifall dafür. Man konnte
die Anteilnahme der Besucher von den Gesichtern ablesen.
Schließlich erfolgte die Namensgebung der Il-62 auf "Lady Agnes". Eine vorbereitete Abdeckung des Namenszuges wurde entfernt und
anschließend stellten sich die Beteiligten für Fotos und Autogramme zur Verfügung.
Danach wurde das Fest vor dem Otto-Lilienthal-Museum im Ort fortgesetzt. Es gab eine Tombola mit attraktiven Preisen Bühnenauftritte
(auch im Sinne der Völkerfreundschaft) und es wurden die verschiedensten Interflug-Uniformen vorgeführt. Für eine Designerin gab es
Blumen als Anerkennung. Rundherum also ein gelungenes großes Landefest mit viel Arrangement, guter Laune und schönem Wetter.
GS
Mächtig gewaltig Egon! |
Die ersten Berüßungen sind die herzlichsten (Dorothee und "Rudi" Döge) |
Sekt zur Begrüßung in der Kabine |
Auch für Vereinsvorsitzenden Horst Schwenzer |
Die Originalbesatzung unter Cptn. Dieter Kallbach |
Und die "Mädels" bleiben immer jung. |
Rede des Vorsitzenden des Otto-Lilienthal-Verein- Stölln e.V. Horst Schwenzer |
Das Publikum spart nicht mit immer wieder Beifall |
Dieter Kallbach muß seine Rede immer mal unterbrechen, weil oft spontan applaudiert wird. |
Auch die damalige Bürgermeisterin Sybille Heling spricht über die Landung mit Herz und Begeisterung |
Die Namensgebung oder Taufe startet |
Agnes ist der Name der Gattin von Otto Lilienthal |
Ein wenig Werbung kann nicht schaden. |
Letzter Fototermin auf der Gangway |
Seine Lebensgeschichte hat er noch selbst aufgeschrieben!
Mein bewusstes Leben begann etwa Anfang der dreißiger Jahre. Ich konnte nicht ahnen, dass diese Zeit einmal berüchtigt für Deutschland
werden würde. War aber doch gerade diese Zeit geprägt vom aufblühenden wirtschaftlichen und kulturellen Leben.
In meinem Heimatdorf Lauter im Erzgebirge gab es Sportvereine, Chöre, bekannte Fußballmannschaften, dramaturgische Gruppen und eine
vielfältige Industrie. Produkte der Emaille- und Maschinenbauindustrie sowie Textilwaren gingen in alle Welt. Ich erlebte eine schöne,
behütete Kindheit. Mein Vater war LKW-Fahrer und sein VOMAG war schon damals für mich ein technisches Phänomen. Ich erinnere mich, dass
meine Freunde alle einmaletwas Großes werden wollten. Dass sie fast alle zehn Jahre später nicht mehr am Leben sei sollten, ahnten wir
damals nicht. Auch ahnte ich damals nicht, dass mein Leben einmal vielgeprägt verlaufen sollte.
So konnte ich mir denn auch die Vielfalt meines beruflichen Lebens nicht aussuchen. Durch die Wirren des Zeitalters, indem wir leben,
hat es sich so ergeben. Schon als ich zehn Jahre war entschied es sich für mich einmal schicksalhaft. Ich bestand die Aufnahmeprüfung
zum Eintritt in den Dresdener Kreuzchor. Ich wollte nicht hin. Trotz meiner musischen Begabung entschied ich mich für die Technik. Ich
habe niemals darüber nachgedacht, wie es verlaufen wäre, hätte ich dem Angebot von Herrn Prof. Mauersberger folge geleistet. Genau so
wenig, wie ich damals ahnen konnte, dass mein Leben so lange von der Fliegerei geprägt sein sollte.
1939 der Ausbruch des Krieges!
Unsere Jungensklasse in der Pestalozzie-Schule traf ein schwerer Schlag. Uns wurde mitgeteilt, dass unser so geliebter Lehrer Hans
Schultz am letzten Tag des Polenfeldzuges bei der Eroberung der Festung Modlin als Leutnant gefallen ist. Wir damals Dreizehnjährigen
brachen faste alle in Tränen aus. Unser Ersatzlehrer Herr Unger hatte alle Mühe uns moralisch zu stützen. Gerade er war es auch, der
mir den Rückhalt gab, meinen Berufswunsch Flugzeugbauer zu werden, zu verwirklichen. Ich erinnere mich, als ich damals mit meiner Mutter
vor dem Amtswalter Herrn Büttner stand, zwecks Berufsberatung, mit dem Ansinnen zu Junkers nach Dessau als Lehrling ins Flugzeugwerk gehen
zu wollen. Kraft seiner Beratung hätte ich keine Chance. Mein Vater sei ja nur Gefreiter und so eine Ausbildung sei nur Söhnen von
Offizieren und Intelligenzlern vorbehalten. Enttäuscht berichtete ich meinem Lehrer, der sehr an der beruflichen Entwicklung seiner
Schüler interessiert war. Herr Unger gab mir damals einen Rat auf den Weg, welcher mir in meinem Leben richtungsweisend war und mich
zum Kämpfer reifen ließ. Er meinte: "Hans, dies ist der erste Prüfstein für dein großes Vorhaben! Du hast meine Sympathie, ich gebe
dir schulfrei. Fahre selbst nach Dessau und bewerbe dich!" Der Widerstand meiner Mutter war schnell überwunden, mit Handtuch und Zahnbürste
fuhr ich los. Natürlich traf ich erst nach Feierabend beim Pförtner am Eingang der Werkberufsschule ein. Die Pförtner waren hilflos.
Ich sollte doch wohl besser wieder nach Hause fahren. Aber der Mutige hat auch mal Glück, lang nach Feierabend verließ Herr Direktor
Lörcher den Betrieb und so fiel ich zunächst in seine Obhut. Herr Lörcher, übrigens eine große Persönlichkeit, hat er nach 1945 auf
Geheiß der Amerikaner in Seattle bei Boeing die größte Lehrwerkstatt nach dem Muster der Junkerswerke aufgebaut. Diesen Abend brachte
er mich im Lehrlingsinternat unter. Schon hier konnte ich meine ersten Freundschaften schließen. Am nächsten Tag wurde ich zum Gespräch
geladen. Hier ergab sich die Hürde, dass die Aufnahmeliste schon geschlossen sei. Herr Lörcher fand aber doch noch eine Möglichkeit.
Einige Bewerber hatten die Aufnahmeprüfung nicht bestanden und eine Nachprüfung stand an. Dazu wurde ich Tage später eingeladen, bestand
gut, bekam meinen Lehrvertrag und wurde eingestellt.
Mein bereits gereiftes Interesse für die Fliegerei gab mir eine gute Grundlage für meinen gewählten Berufsweg. Schon als Jungvolk-Pimpf
war mir der Flugmodellbau sehr angelegen. Der NSFKbetrieb in Aue, eine gutgeführte Werkstatt. Hervorragende Menschen leiteten uns an.
Mein Taschengeld, was ich mir mit Zeitungaustragen verdiente, ging natürlich für den Flugmodellbau drauf! Menschen wie Junkers, Heinkel,
Dornier, Messerschmitt und berühmte F1ieger waren meine Idole. Bei Junkers erwartete mich eine harte, aber für mein ganzes Leben prägende
Ausbildung. Nicht allein im Werk, insbesondere auch in der Kaserne. In der vormilitärischen Ausbildung bestimmten Funken, Aerodynamik,
Flugzeugkunde, Triebwerk und Waffenkunde unsere Freizeit. Doch die Begeisterung war grenzenlos. Nachzügler wurden mitgerissen, Kameradschaft
und Ehrlichkeit waren oberstes Gebot. Auch gehörte zum Ausbildungsprogramm die Segelflug-Ausbildung. So erflogen wir uns in Wochenend- und
Ferienausbildung die A-, B-, C-Prüfungen. Ich selbst widmete meiner fliegerischen Entwicklung noch mehr Freizeit und erreichte den
Luftfahrerschein doppelsitzig. Auf der Reichssegelflugschule Iht konnte ich noch die Bedingungen für das Leistungsabzeichen erfliegen.
Nach Absolvierung des Grundlehrganges in der Lehrwerkstatt wurde ich mit mehreren Kameraden vorzeitig in den Betrieb versetzt. Der Bedarf
der Front an Facharbeitern hinterließ doch schon Lücken im Betrieb. Ich kam in die Halle 201 an die Entwicklung der Ju 288. Mit diesem
Flugzeug war ich dann bis zum Ende meiner Lehrzeit "verheiratet". Die 288 wurde mir fast zur Religion. Als Langstrecken-, Schnell und
Höhenflugzeug war sie mit allen technischen Spitzenleistungen der damaligen Zeit ausgerüstet. Über 30 Maschinen wurden gebaut. 1944 wurde
Produktion dieses hervorragenden Flugzeuges gemäß einer der vielen Fehlentscheidungen sowie der sich schon abzeichnenden Rohstoffknappheit
eingestellt. Diese Phase erlebte ich allerdings in Dessau nicht mehr. Nachdem ich in allen Fachabteilungen, Steuerung, Hydraulik und
Fahrwerk, Triebwerks- sowie Waffeneinbau ausgebildet war und meine Facharbeiterprüfung mit "gut" bestanden hatte, konnte ich zur
Flugversuchsabteilung versetzt werden. Bei Flugkapitän Siegfried Holzbaur, Testpilot 288, sowie Chef-Bordmonteur Otto Kaltofen wurde
ich in die Typen 288 und 290 eingewiesen. Zur Bestürzung meiner Stubenkameraden wurde ich als erster (wie sich später herausstellte
durch einen Formfehler) zum Fliegerregiment 63 nach Kaufbeuren (Flugzeugführerschule) eingezogen. Es erfolgte meine Ausbildung auf
der Bü 181, Ar 96B, Fw 58 Blindflug, Bü 131 Kunstflug. Zum Abschlusserhielten wir unsere Flugzeugführerabzeichen für die B2. Ich wurde
zum Gefreiten befördert. Im Januar 44 verließ ich letztmalig vor Kriegsende mein zu Hause mit Marschbefehl nach Trier, zur Umschulung
auf FW 190. Ich hatte in Kaufbeuren meine Freiwilligenmeldung für die Jagdwaffe abgegeben. Die umfangreiche Theorie fiel mir als vorbelasteten
Facharbeiter leichter als den meisten Anwärtern. Kameradschaftliche Hilfe war an der Tagesordnung. Beeindruckend war der Tag des ersten
Flugbetriebes. Trotzdem ich bei Junkers große Flugzeuge gewöhnt war, kam mir die Luftschraube der "Diva" FW 190 erschreckend groß vor.
Ich war ziemlich erregt bei dem Gedanken in wenigen Minuten mit dem BMW 801J mit 1750 PS umgehen zu müssen. Das schon vorhandene
Kommandogerät, in dem Ladedruck, Luftschraubenverstellung und Höhenkorrektor als Einhebelbedienung integriert waren, ließ Spielraum für
andere wichtige Elemente wie Einhaltung der Geschwindigkeiten, Klappenstellung, Fahrwerk, Umsicht der Geräte usw. Natürlich war ich als
"Benjamin" wieder mal als Erster dran. Die Platzrundenflüge erfolgten ohne Vorkommnis. Nach einem Feindangriff war der kleine Platz
zwischenzeitlich nicht mehr befliegbar. Die weitere Ausbildung wurde nach Cottbus und Wriezen verlegt. Da aus meinen Akten ersichtlich
war, dass ich bei Junkers gewesen sei, damit bereits Umgang mit dem JUMO 213 hatte, wurde ich von OFw. Hesselbart für das Überführungskommando
ausgewählt. Es ging um die Überführung der FW 190 D9. Ich hatte bereits einige Kenntnis über den JUMO 213 mit Mehrstufen-Lader durch dem
Umgang mit der Ju 188. Während der Oberführungsflüge hatte ich Gelegenheit doch wohl etwas Flugerfahrung zu sammeln. Flüge von Strausberg,
Rangsdorf, Schkeuditz Erla-Werke folgten. Ziel war Leuwaarden, Valencienes. Dort traf ich meine Freunde Hans Bollwinkel und Hans Nowotny -
beide sind später gefallen. Es waren fast alles Grundüberholungen von 190 A4 sowie A8 mit BMW 801 zu überführen. Natürlich waren diese
Flüge für einen Anfänger aufregend. Die Luftherrschaft der Amis mit P-51war schon im Gange. Navigation sowie Wetter taten ihr Übriges.
Selbst die Rückkehr zum Standort war oft problematisch. Es begann die Invasion in der Normandie und damit die enorme Steigerung der
Feindaktivität. Nach meinem letzten Ü-Flug von Langenhagen. es war eine A4 aus der Werkschutzstaffel der Focke-Wulf-Werke, war mein
Rückkehr zum Standort in Frage gestellt. Ich musste bei der Staffel verbleiben.
Meine technischen Kenntnisse führten mich sehr schnell ein. Ich wurde zunächst in der Triebwerkswartung eingesetzt.
Mein besonderes Pflegekind war dabei meine letzte überführte Maschine mit der Endnummer 490, die noch am Rumpfheck angebracht war.
Sie interessierte mich besonders, weil sie bei Fock-Wulf einigen Versuchen, besonders im Waffeneinbau, unterzogen worden war. Sie
hatte zwei MG 131 als Rumpfwaffen, zwei MG 151 20 mm in den Innenflächen, dazu ein ETC 501 unter dem Rumpf zur Aufnahme eines Zusatzbehälters,
sowie zwei ETC 71 unter den Flächen zur Aufnahme von Abwurflasten. Dazu kam das FuG 16 Zy als Funksprech- und Radio-Peilgerät. Ich erkannte
sehr schnell die akuten Verluste der Staffel. Nachschubschwierigkeiten sowie häufige Feindangriffe auf den Platz bestimmten die Szene.
Ich wurde OFw Körner zugeteilt, um meine fehlende Kampfausbildung im Schnelldurchlauf nachzuholen. Durch dauernde Kraftstoffprobleme war
dies in kaum befriedigendem Maße möglich. Oft flog man nur mit halber Betankung zum Einsatz. Es gab fast täglich Verluste. Bei einer Verlegung
nach Vesoul bekamen wir Feindberührung mit einer größeren Anzahl P-47. Ich konnte sie nicht zählen. Körner stellte sich dem Luftkampf und
ich blieb dran. Im nu waren wir mittendrin. Es war unter 1000 Meter. Die von Körner beschossene P-47 ging im Sturzflug ab.
Auch ich konnte einige Feuerstöße aus dem 151 abgeben. Dann hat es bei mir "eingeschlagen". Die Motordrehzahl ging rapid runter.
Ich befürchtete einen Brand. Ich konnte den Anschluss an Körner nicht halten, stürzte in eine Schlechtwetterwolke, es war ja November.
Drehzahl kaum 1200, Öldruck: keiner mehr. Gewaltsam unterdrückte ich meine Panik. Die Wolken waren dicker als ich hoffte. Wie komm ich
unten raus? Dann Schneeregen, keine Wahl für ein geeignetes Landefeld. Bauchlandung westlich Neuf Chateau. Da der Verlauf der Front sich
täglich veränderte sowie mein Navigationsverlust in der letzten Phase des Fluges, wusste ich nicht, wo ich heruntergekommen war. Eine
LKW-Kolonne mit weißen Sternen auf der Motorhaube ließ mich das Schlimmste ahnen. Die Masse des Kriegsmaterials der Amis beängstigte mich.
Letztlich war ich dann doch froh, nicht in die Hände der Maccis, (Partisanenkampfgruppe der Franzosen) geraten zu sein. Nachdem mir die
Amis alles abgenommen hatten, was an mir zu demontieren war, kam ich in ein Sammellager in Epinal. Die Bedingungen dort zu schildern würde
den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Doch ich hatte in diesen Tagen schon zum zweiten mal einen Schutzengel. Mit ca. 200 Gefangenen (PoW)
wurde ich für ein Arbeitskommando in einem Lazarett, zum 21. General Hospital, abgestellt. Es lag in der Nähe von Mirecourt und hatte zu
dieser Zeit mehrere Tausend Verwundete. Das Lager wurde in Arbeitskommandos für medizinisch, technische Belange und Versorgung eingeteilt.
Ich meldete mich in den Motorpool. Die zwei Winter im Zelt überstand ich gut. Nach einigen Wochen in der Werkstatt wurde ich als erster PoW
als Kraftfahrer auf einem LKWGMC 6x6 eingesetzt. Bis zum Kriegsende fuhr ich für die Versorgung des Lazaretts. Im Mai 45 kam ja dann das
Kriegsende. Der Posten der mich bis dahin begleitete, fiel nun weg. So konnte ich nun in meinem GMC allein durch die französische Landschaft
fahren. Dann wurde ich für einige Monate als Kraftfahrer nach Algerien abgestellt. Als Sattelschlepperfahrer musste ich für das Generalkommando
der 7. US-Army fahren, von wo aus ja 1944 die Invasion nach Sizilien erfolgte. Das war natürlich noch einmal eine gefährliche Zeit, da zu
dieser Zeit schon die FNL (algerische Freiheitstruppe) gegen alles Fremde im Land kämpfte. Amerikanische LKW wurden besonders oft Opfer eines
Überfalls, wobei die Fahrer nicht überlebten. Nach ca. vier Monaten konnte ich dann mit meinen Kameraden wieder in mein Camp nach Mirecourt
zurückkehren. Bis zu meiner Entlassung im Frühjahr 1946 konnte ich meinen GMC weiterfahren. Ich hatte bis dahin fast 200 000 km gefahren.
Obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte, mich nach Kaufbeuren entlassen zu lassen, wählte ich nach über zwei Jahren die Heimkehr in die
Heimat, die damalige Ostzone. Was ich da vorfand erlebten wohl alle Heimkehrer.
Ich war glücklich, dass ich meine Familie gesund antraf. Auch mein Vater war schon aus der Gefangenschaft zurück. Seine drei Brüder waren
allerdings gefallen. Ein völlig neuer Lebensabschnitt begann. Es musste weitergehen. Ich war jung und überlebte den Krieg ohne körperlichen
Schaden. Meine Eltern und meine Braut warteten schon so lange. War ich doch schon Einundeinhalbjahr vermisst gewesen. Der Wismut-Bergbau
hatte schon begonnen und das Straßenbild von Aue wurde von Russen-Lastern bestimmt. Die Wirrnisse dieser Zeit und die Eindrücke auf mich
würden einen besonderen Bericht füllen. Mein Vater besorgte mir eine Stellung als Kraftfahrer in Schwarzenberg bei einem Gemüsegroßhandel,
der die Wismut versorgte. So fuhr ich dann mit einem 8-Tonner Hentschel Holzvergaser-LKW laufend nach Mecklenburg und in andere
landwirtschaftliche Gebiete. Ich wurde so zum Holzvergaserexperten. Es war auch wieder zu etwas gut. Damit verdiente ich mir mein erstes
Geld um mein künftiges Studium an der wiedereröffneten Fachschule in Aue zu beginnen. Während den Semesterferien fuhr ich dann immer, um
die weitern Studiengebühren zu finanzieren.
Die Fachschule beendete ich mit dem Meisterbrief für Schnitte- und Stanzenbau, sowie den Techniker für Blechverformung.
Während meines Studiums arbeitete ich bereits als Werkzeugkonstrukteur für die ESEM welche Reparaturaufträge für die SU zu leisten hatte.
Ich arbeitete an PKW-Werkzeugen (Streckziehwerkzeuge für Kotflügel usw.). 1948 begann ich meine Tätigkeit im Halbzeugwerk Auerhammer. Die
ehemaligen FA-Lange Metallwerke mit einer 450 Jahre alten Tradition waren im Krieg Wehrwirtschaftsbetrieb für Munition und Torpedobau, und
somit laut Potsdamer Abkommen voll demontiert. Walzwerke, Metallstrangpresse, Drahtzüge, Stanzen und alle anderen technischen Einrichtungen
waren bereits auf dem Weg in die SU. Als ehemaliger Junkers-Mann fand ich das Werk in einem unbeschreiblichen Zustand. Die restlichen
Arbeiter, etwa 30, waren mit Räumarbeiten beschäftigt. Einst waren es ca.1700. Im Krieg wurde auch das Material für die Turbinen-Schaufeln der
Flugzeug-Turbinen JUMO 004 sowie BMW 003, das sogenannte "Tinidur" , eine Wolfram-Titan-Chrom-Nickel-Legierung hergestellt. Die Schaufeln und
die Brennkammern wurden dann in den benachbarten ehemaligen Wellner Besteck Werken produziert und in Neidhartstal in die fertigen Rotore
eingebaut. Alle Spezialisten die daran gearbeitet hatten, waren bereits in die SU deportiert worden, um in Charkow die Flugzeug-Turbinen
für die sowjetische Flugzeug Industrie herzustellen. Mir als jungen Konstrukteur stand die Aufgabe, das erste in der DDR in Betrieb zu
nehmende Mittelblech-Walzwerk zu konstruieren und zu bauen. Auf dem Territorium der DDR gab es fast keine Eisen-und Stahlproduktion. Ein
einziger fast schrottreifer Hochofen stand in der Maxhütte in Unterwellenhorn. Zu dieser Zeit arbeiteten in der BRD bereits 136 intakte
Hochöfen. Es war für mich eine große Herausforderung. Teils alte Bauteile und neu zu bauende Aggregate mussten vereinigt werden. Die
Walzenständer wogen ca. 25 Tonnen, das neu zu bauende Getriebe 30 Tonnen. Die Antriebsleistung war 2000 PS. Das ganze Aggregat nahm einen
Raum von ca. 15x35 m ein. Dazu die beiden Glühöfen mit je 20 Gasbrennern und einer Durchsatzleistung von je 240 rn3. Das gesamte Gas der
Stadt Aue hätte nicht für eine Stunde Produktion gereicht. Also musste eine eigene Gas-Generator-Anlage konstruiert und gebaut werden.
Fürderhin wurden täglich zehn Eisenbahnwaggons mit etwa 260 Tonnen Braunkohle vergast. Nach Fertigstellung der Anlage im Jahre1950 wurden
alle Bleche für den Eisenbahn-Waggonbau sowie der gesamten LKW-Produktion und die Rohrstreifen für das Rohrwerk Riesa gewalzt. Bis 1960,
also ca. zehn Jahre, wurden etwa eine halbe Million Tonnen Mittelbleche der Abmessungen 2 bis 5 mm hergestellt. Als Anerkennung für meinen
Einsatz im Werk konnte ich 1952 noch mein Studium als Ingenieur für Schwermaschinenbau und Eisenhüttentechnik an der Fachschule in
Unterwellenborn absolvieren. Die Entwicklung des Werkes in den folgenden zwei Jahrzehnten bis zu meiner Einstellung bei der INTERFLUG -
also Hochvakuum-Ofen für die Fe-Ni-Produktion, 3 500 Tonnen Metall-Strangpresse, Rohrproduktion, Drahtproduktion u.v.m. würden ein separates
Buch füllen. Es gab kaum einen Industriezweig, der nicht von der Materialzulieferung des Werkes abhängig gewesen war. Zum Zeitpunkt meines
Abganges zur INTERFLUG hatte das Werk ca. 2000 Belegschaftsmitglieder und eine Brutto-Produktion von etwa 200 Millionen. Selbst war ich Leiter
der Ziehereibetriebe mit Strangpresserei, Rohr- und Drahtzieherei und Werkzeugbau. Spezialitäten waren Fein- und Präzisionsrohre und -drähte.
Im Republikmaßstab war ich Leiter mehrerer außerbetrieblicher Arbeitskreise wie Warmarbeits- und Gesenk-Schmiedestähle, Webedrähte, UHF-und
Feinrohre.
Natürlich gab ich den Gedanken um die Fliegerei trotz meiner beruflichen Tätigkeit nicht auf. Vorerst war dies ja in der DDR nicht
möglich. Aber mit einigen meiner Lehrlinge betrieb ich schon eine kleine Flugmodellbaugruppe. Mit diesen Jungs trat ich dann auch in die
neugegründete GST ein. Zunächst wurden die ersten SG 38 nach alten Bauplänen selbst gebaut. Im RAW Zwickau sowie in Großrückerswalde entstanden
die Ersten. Später wurde die Produktion in Niederschmiedeberg aufgenommen. Es wurden dort ca. 500 SG 38 und etwa 380 Grunau 2B (später in Gotha)
gebaut. In Auerhammer hatte ich für die Bereitstellung der St 70 Bleche für alle Beschläge zu sorgen. Inzwischen hatte nun auch der Flugzeugbau
in Dresden seine Produktion aufgenommen. Es lief zunächst die Serie IL-14P (80 Stück) und als Neuentwicklung die 152 als erstes strahlgetriebenes
Verkehrsflugzeug. In Auerhammer haben wir die Niete und Drähte in den Legierungen Al Mg 3,5 und 7 sowie W 65 (das bekannte Duralumin) hergestellt,
neben Kühlerröhrchen für die IL-14 und noch andere Halbzeuge.
Trotz einiger Anfragen alter Kollegen aus Dessau konnte ich nicht zum Flugzeugwerk nach Dresden übersiedeln. Die Aufgaben in Aue banden mich
noch zu sehr an das Werk. 1957 begann dann in Zwickau wieder die Motorflugschulung. Mit einigen meiner Segelflugschüler war ich von Anfang an
dabei. Wir begannen auf zwei Jak-18, später auf der sehr guten Jak-18A mit 9-Zylinder Sternmotor (280 PS), wovon es dann in Zwickau fast 20
Stück gab. 1958 war ich dann bereits wieder Fluglehrer. Viele unserer Flugschüler hatten dann einen lebenslangen Weg als Berufsflugzeugführer
vor sich. Meine Arbeit teilte sich in Ausbildung, Schleppflüge und Absetzflüge für Fallschirmspringer. Ich habe dabei auch selbst meine
Sprungberechtigung abgelegt. Bis zu meinem Weggang zur INTERFLUG hatte ich ca. l00 Flugstunden Ausbildung etwa 2000 Schleppflüge und 1 500
Absetzflüge geleistet.
Höhepunkt in der Zeit in Zwickau war mein Einsatz in der Verbandskunstflug-Staffel. Wir flogen im Karee, ich selbst in den ersten Jahren in
der Schlussposition. Die letzten drei Jahre als Verbandsführer. Mit vier Jak-18A absolvierten wir ein Programm von 22 Flugfiguren. Die Flugzeuge
waren mit je zwei roten Rauchkörpern an den Tragflächenenden ausgerüstet, die eine Brenndauer von ca. 10 min hatten. Nur um eine herausragende
Flugfigur zu nennen, der Looping aus vier Richtungen im Gegenflug durch die Mitte. Zeugnis der damaligen Popularität des Verbandes mag wohl
sein, dass wir zu allen Großflugveranstaltungen in halb Europa eingeladen wurden, ebenso zu allen Flugsport-Meisterschaften. Beispiel, jährlich
in Budapest, in Wien, Graz, Prag, Südfrankreich. Die Zuschauerzahlen erreichten oft über 100Tausend. Im fast zehnjährigen Bestehen des Verbandes
wurden weit über dreihundert Flugstunden in ca. 800 Einsätzen ohne Vorkommnis geflogen. 1972 beendete der Verband seine Existenz wegen Mangel an
geeigneten Piloten.
Von 1964 bis 1972 war ich Mitglied des Zentralvorstandes der GST und arbeitete in der Motorflugkommission.
Bereits 1970 wurde ich von Flugkapitän Kurt Lamm bei der INTERFLUG als Fluglehrer für die Verkehrsfliegerausbildung eingestellt. Die Ausbildung
fand vorwiegend am Flughafen Erfurt statt. Ich musste mich bemühen, mich so schnell wie möglich in das System des Verkehrsfluges einzufügen.
Der Sprechverkehr war deutsch, englisch und russisch. Die anderen beiden Fluglehrer, selbst wie ich Piloten der ehemaligen Luftwaffe, halfen
mir, um in kürzester Zeit alles zu beherrschen. Die Anfängerschulung der Fluggruppen, die aus der betriebseigenen Fachschule der INTERFLUG
kamen, erfolgte auf der An-2 mit einem 100-Stunden-Programm. Anschließend folgten als Zweimotausbildung auf der bewährten IL-14P nochmals
25 Flugstunden. Geschult wurde überwiegend im Instrumenten- und Nachtflug. Die Matrikel bestanden aus drei Fluggruppen zu je 5 Schüler. Nach
sechs Jahren erfolgreicher Arbeit, wobei über 100 Flugzeugführer ausgebildet wurden, konnten wir eine Bilanz von ca. 13 500 Flugstunden mit
fast 25 000 Flügen verbuchen - ohne einen Unfall, und dies mit Flugschülern. Eine unserer Schulmaschinen, eine in Dresden gebaute IL-14P, war
gleichzeitig als Funkmess-Flugzeug im Einsatz für den Flugsicherungsdienst der DDR. Es wurden alle bodengebundenen Flugsicherungsanlagen, wie
UKW-Drehfunkfeuer(VOR), Instrumentenanflugsysteme (ILS), Präzisions-Anflugradare (PAR), Großraum- und Sekundär-Radare sowie ungerichtete
Funkfeuer, die NDB, vermessen. Diese Anlagen sind vorgeschriebenen periodischen Kontrollen, viertel- oder halbjährlich, unterworfen. Dazu sind
kompetente Fachingenieure sowie eine speziell eingewiesene Besatzung erforderlich. Die Genauigkeiten dieser Anlagen sind international von der
ICAO vorgeschrieben und gewährleisteneinen sicheren Instrumentenflugbetrieb. Zwei Fluglehrer, darunter ich, wurden dafür eingesetzt. Diese IL-14
mit dem Kennzeichen DM-SAL wurde von den Kommandanten Heinz Maiwald und Hans Klecha ca. zehn Jahre geflogen. Sie steht derzeit zur Restaurierung
als Sachzeuge für den ehemaligen Flugzeugbau der DDR in der Flugzeugwerft in Dresden. Sie wurde nach einem Einsatz von 27 Jahren als
Verkehrs- Schul- und Funkmessflugzeug abgestellt. 16 000 Flugstunden hatte sie ohne Störung geflogen.
Zwischenzeitlich absolvierte ich bei der INTERFLUG einen Hubschrauber- Lehrgang und war auch auf dem viermotorigen Verkehrsflugzeug IL-18
im Einsatz.
Mit der Ausmusterung der IL14 wurde zunächst meine Tätigkeit als Flugzeugführer unterbrochen, um eine Planstelle bei der Staatlichen Luftfahrt-
Inspektion (SLI) zu übernehmen. Hier war ich dann als Technischer Inspekteur für Fallschirm und Rettungsausrüstungen der Zivilen Luftfahrt
tätig. Dies sollten die letzten fünf Jahre vor meiner Rente der Ausklang meiner Tätigkeit in der Luftfahrt werden. Dass ich nach 1991 noch
einige Jahre als Fluglehrer bis heute weiterfliegen sollte, wusste ich damals noch nicht. Bei der SLI war ich dann
verantwortlich für die Produktion, Entwicklung, Instandhaltung und den Einsatz von Personenfallschirmen in der Luftfahrt, im zivilen sowie
im militärischen Bereich. So bin ich beteiligt an der Entwicklung von Hochleistungsfallschirmen wie Tandem 1-1 und 2-2, woraus heute das
System Style abgeleitet wurde, welches zur gegenwärtigen Weltspitze gehört. Weiterhin den Hochleistungs-Staukammer--Gleitfallschirm RL-16,
den RettungsgIeiter RG-1. Mir oblag ebenfalls die gesamte Erprobung mit Testsprüngen und Puppenabwürfen, dazu die Erprobungsberichte, Prüfberichte
sowie die Ausstellung des Typzeugnisses, welches zum Einsatz in der Luftfahrt berechtigt. Darunter zählte ebenfalls der Bremsschirm der MiG-29,
der für eine Öffnungsgeschwindigkeit von 300 km/h ausgelegt ist. Eins meiner Hauptgebiete war die Verbesserung von im Fallschirmbau zur Verwendung
gelangenden Werkstoffen und deren Qualitäten sowohl auf dem metallurgischen als auch auf dem textilseitigen Sektor. Fallschirmseide, Fangleinen,
Gurte-Schlussverbindungen, Aufzugsseile und Automaten sind hochentscheidend für die Sicherheit der Geräte. Ein hochwertiges, besonders
hochbelastbares und betriebssicheres Gurt-Steckschloss konnte von mir entwickelt werden (Patent). Es findet gegenwärtig auch international
Verwendung. Das Fallschirmwerk Seifhennersdorf hatte damals einen Marktenteil von über dreißig Prozent.
Mit fast 65 Jahren erlebte ich, auf dem Höhepunkt meines beruflichen Schaffens, die sogenannte Wende oder Wiedervereinigung Deutschlands.
"Vaterland" käme mir wohl schwer über die Lippen, hatte man uns doch diesen Begriff in der Nachkriegszeit gewaltsam abgewöhnt. Trotzdem war
es für mich ein erhebendes Gefühl, nach über vierzigjähriger geografischer und politscher Spaltung nun eine Nation zu sein. Ich glaubte zunächst,
dass nun die Fehler der ehemaligen DDR Regierung korrigiert werden und wir nun aus eigener Kraft an die Verbesserung unserer Wirtschaft gehen
können, um den Rückstand aufzuholen. Nach dem Einzug des Luftfahrtbundesamtes in die SLI sollte uns klar werden, dass fast nichts von unserer
vergangenen Arbeit anerkannt und fortgeführt werden darf. In Siegermanier wurden wir förmlich durch ihre eigenen Methoden vergewaltigt. Auf
Geheiß meiner Vorgesetzten hatte ich fast alle Dokumente in den Reißwolf zu geben. Es waren zwei Panzerschränke voll Zeichnungen, Prüfberichte,
Typzeugnisse, Handbücher unserer sämtlichen Systeme, Betriebsordnungen, Herstellungsvorschriften, Reparatur- und Lagerungsbedingungen usw..
Auch unsere von allen geliebte INTERFLUG musste dem politischen Druck weichen. Sie wurde über die Treuhand westlichen Finanzhaien geopfert
und Millionenwerte wurden verschrottet. Der letzte amtierende Generaldirektor Andreas Kramer hatte noch vor, im Äquivalent der reichen
Liegenschaften der INTERFLUG im Wert von 800 Millionen DM eine neue Flotte an Airbussen A310 anzukaufen und dafür die bisher geflogenen
Typen, die zwar guten betriebssicheren Tu-134A, die älteren IL-62 aber international nicht mehr wettbewerbsfähigen Flugzeuge an die GUS
zurückzuführen. Aber die Treuhand erhob ihrerseits Anspruch auf das Geld und verkaufte diese riesigen Gelände. Auf einem Teil befinden
sich heute die Gewerbeparks von Waltersdorf. Der größte Teil liegt heute noch brach. Die erst ca. ein Jahr alten besten Flugzeuge wurden
zum Regierungsflugbetrieb nach Bonn umgesetzt. So fliegen heute noch unsere drei Airbusse A310 sowie drei IL-62M, zwei Tu-154 (wovon eine
über dem Südatlantik mit einem Amerikaner kollidierte) für die Bundes-Luftwaffe. Auch noch andere Flugzunge wurden umgesetzt, Mi-8 und
einige Tu-134A. Die dazugehörigen Besatzungen wurden nur zur Einschulung der neuen (altbundesdeutschen) eingestellt (darunter einige meiner
ehemaligen Flugschüler und nunmehrige Kapitäne).
Hautnah musste ich das tragische Ende unserer traditionsreichen Luftfahrt miterleben. Millionen Flugstunden, unzählige Solidaritätsflüge
in Notstands- und Welthungergebiete wurden mit einem mal null und nichtig. Auch den Flugsport der DDR ereilte dieses Schicksal.
Ausbildungs-und Sportflugzeuge sowie reichhaltige Ersatzteillager wurden zu Spottpreisen an westliche Interessenten verkauft oder verkamen,
wie das große Zentrallager in Fürstenwalde. Jahrelang kämpften die Flugsportler um den Erhalt ihres Flugzeugbestandes, bis uns dann endlich
der zu Schrott erklärte Rest zur Nutzung überlassen wurde.
Nach meinem Umzug von Berlin nach Aue musste ich feststellen, dass mein so leistungsfähiges Auerhammer-Werk ebenfalls den Finanzhaien zum
Opfer fiel. Die Unfähigkeit der zu dieser Zeit amtierenden Leitung wurde von westlichen Konkurrenzunternehmen gnadenlos ausgenutzt.
Volle Auftragsbücher wurden an westliche Hersteller förmlich verschleudert. Ein umfangreicher Maschinenpark, auch Maschinen und Einrichtungen
einst aus meiner Feder, wurden zu einem Spottpreis an westliche Werke verkauft. Ein Press-und Ziehwerkzeug-Arsena1 im Wert von fast einer
Million, Hartmetall- Werkzeuge für die Herstellung von Präzisions-Rohren sowie ultradünnen Drähten traf das gleiche Schicksal.
Die von mir ersonnene einst so leistungsfähige und gut ausgerüstete 3500 Tonnen Metall-Strangpresse, die in drei Jahrzehnten hunderttausende
von Tonnen Vormaterial gepresst hat, fiel dem Schneidbrenner zum Opfer. Sie steht heute noch als Schrottmonument in der einst so
schaffensträchtigen Werkhalle. Man könnte mit Schillers Worten sagen: In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen…! Und war es doch
über Jahrzehnte die tägliche Wirkungsstätte und damit die Lebensgrundlage von so vielen fleißigen Menschen gewesen. Das große hochmoderne
Blockwalzwerk, erst in den 80er Jahren im Wert von mehreren hundert Millionen aufgebaut, wurde zu einem Bruchteil des Wertes von der
Treuhand an die Chinesen verkauft. Um sich den Umfang der Anlage vorzustellen, muss man wissen, dass die zur Montage mitgeschickten
Spezialisten ca. drei Jahre lang dieses Walzwerk in China wieder aufgebaut haben. Die Liste der skrupellosen Wirtschaftsverbrechen könnte
schier endlos fortgesetzt werden.
Wen soll es wundern, dass meine anfängliche Begeisterung für unser nun wiedervereinigtes Deutschland einer großen Enttäuschung gewichen ist.
Wieder einmal musste ich mich als eigentlicher Kämpfer zu den Verlierern zählen. Ein bissel 45 kommt mir auf, wo alle unsere Betriebe von
den Russen demontiert wurden. Aber es musste ja weitergehen. Ich nahm die Gelegenheit wahr, bei einem vom Luftfahrt Bundesamt bestimmten
Prüfer die Überprüfungsflüge zur Erlangung der Privatpilotenlizenz zu absolvieren. Ich bekam postum den PPL-A mit CVFR-Genehmigung,
Lehrberechtigung und Nachtflug. Dazu die Segelflugerlaubnis PPL-C und Motorsegler PPL-B. So siedelte ich 1991 wieder um von Rangsdorf
ins Erzgebirge. War dann somit zwanzig Jahre im Verkehrsflug tätig gewesen. Die Wiedereingliederung in meinen alten Heimat-Fliegerklub
ging auch nicht problemlos vonstatten, auch hier war alles anders geworden. Im Amt gebliebene alte Funktionäre hatten sich förmlich
umgekehrt, machten mir den Wiedereinstieg nicht so leicht, wollten plötzlich von ihrer dekorierten Vergangenheit nichts mehr wissen.
Nach anfänglicher Zurückhaltung meinerseits (hatte ja die weitaus größte Flugerfahrung) konnte ich mich dann auch hier wieder beweisen.
Der Fliegerklub Zwickau bekam auch wieder die Lizenz als Ausbildungsstätte für Privatflugzeugführer mit einem bestätigten Ausbildungsprogramm.
So konnte ich dann auch wieder als Motorfluglehrer bestätigt und eingegliedert werden. Gemäß meiner Flug- und Lebenserfahrung versuche ich
mich bestmöglich einzubringen und diese Erfahrung als ältester Fluglehrer weiterzugeben. Freilich hat die heutige Ausbildung nicht mehr viel
gemeinsam mit der seinerzeitigen Ausbildung in der DDR. Mit der Eigenfinanzierung der Auszubildenden ist die Anzahl der erforderlichen
Flugstunden auf das unbedingte Mindestmaß festgelegt. Der gesamte Kunstflugkomplex ist weggefallen und kann nur in einer Zusatzerlaubnis
erworben werden. Neben den von der Flugsicherung kontrollierten Räumen im TMA der Verkehrsflughäfen gibt es die unkontrollierten Lufträume,
welche von den Piloten unter Sichtflugbedingungen unter Eigenverantwortlichkeit benutzt werden. Die metrischen Begriffe sind dem amerikanischen
System in See-Nautischen Meilen, Knoten und Fuß gewichen und erforderten eine Umstellung der Flugzeuge sowie der personellen Einstellung.
Erkennen muss ich heute nach jahrzehntelanger Erfahrung als Fluglehrer und Verkehrsflieger, dass in der Luftfahrt der DDR ein hervorragendes
Sicherheitssystem bestand und welches wie alles andere mit politischer Voreingenommenheit abgewertet wurde.
Ich finde mich in meinem wohl hochbetagten Alter mit den gegenwärtigen Verhältnissen ab und versuche mich anzupassen. An die Einhaltung
von Gesetzlichkeiten bin ich ja seit meiner Jugend gewöhnt. Wenn man einige unliebsame Begleiterscheinungen wegsteckt, macht die ehrenamtliche
Arbeit als Fluglehrer auch Freude. Man hat im Alter doch noch das Gefühl gebraucht zu werden. Darf ich mich doch in einem Kreis gleichgesinnter
Freunde wähnen. So darf ich mich an den vierteljährlichen Treffen der Gemeinschaft ehemaliger Flieger deutscher Streitkräfte in der Zwickauer
Flieger-Klause erfreuen. Durch meine weite fliegerische Tätigkeit bin ich noch in mehreren Veteranenkreisen aufgenommen und fühle mich im
Kreis meiner ehemaligen Kameraden geborgen. Trotz der gegenwärtig herrschenden Ellenbogengesellschaft brauche ich also das in der DDR
übliche Gefühl der Gemeinsamkeit und gegenseitiger Achtung nicht zu entbehren.
Sollte mein Bericht etwas lang ausgefallen sein, so möge mir dies verziehen sein. War es doch in Kurzfassung "Mein Leben".
Auch schrieb ich auf einer uralten "Erika"-Schreibmaschine, die wie ich selbst doch wohl einige Alterserscheinungen nicht verbergen kann.
Ich wünsch. allen meinen alten Freunden ein noch langes, gesundes und geruhsames glückliches Leben im Kreis ihrer Familien.
Euer immer treuer Hans Klecha