Ein Flugkapitän der Interflug gründet ein eigenes Luftfahrtunternehmen
Von der "IL-18-Air-Cargo" GmbH zur "BERLINE", Berlin Brandenburgisches Luftfahrtunternehmen GmbH
An einem Winterabend 1991 saß eine Il-18-Frachtflugbesatzung mit Frachtbegleiter in einer Wiener Kneipe nach einem Flugeinsatz bei einer Runde Bier. Angesichts der nicht mehr aufzuhaltenden Liquidation der DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG durch die Treuhand-Gesellschaft war die Stimmung gedrückt und die Zukunft ungewiss. Da rückte der Flugkapitän Reinhard Knäblein mit seiner Idee heraus, es auf eigene Faust mit einer Fluggesellschaft zu versuchen. Sie nahmen den Vorschlag mit nach Berlin-Schönefeld und die Belegschaft der Il-18-Staffel und der Flugtechnik waren sofort Feuer und Flamme von der Gründung einer "Il-18-Air-Cargo GmbH" mit vier Flugzeugen aus der Konkursmasse zu einem symbolischen Preis von einer DM pro Flugzeug.![]() Sozusagen eine Übergangslackierug mit blauem Schriftzug BERLINE |
![]() Die erste vollständig blaue Lackierung der Il-18 von Berline |
![]() Berline wieder auf dem Rumpf, mit Spektrum-Farben auf dem Seitenleitwerk |
![]() Schriftzug German European Airlines von Grampe/Steinkamp |
![]() Zuchtbullen im Auftrag der Bundesregierung nach Kriwoj Rog |
![]() Die D-AOAS mit großer Frachtluke und den Wappen von Berlin und Brandenburg |
![]() Auch hier am Anfang Berline auf der Original-TAT-Lackierung. |
![]() Später wieder mal eine "Graue Maus" mit Berline auf dem Seitenleitwerk |
Nach der Bodenvorbereitungen in der inzwischen gegründeten Fokker-100-Flotte unter der fliegerischen Leitung von Flugkapitän Hans-Joachim Arlt wurde am 02. März 1993 das Platztraining (11 Anflüge und 9 Landungen) mit dem TAT-Checkpilot Gonnet am Airport Neuhardenberg durchgeführt. Bis zu den Streckeneinweisungsflügen vergingen lange 3 Monate und vom 01.06. bis 13. 07. flog ich dann endlich meine Streckeneinweisungsflüge (Line-Training). Mit dem Zulassungsflug (Line-Check) nach Tabarka/Tunesien am 15.07. unter Check-Pilot CARCASSONNE erhielt ich als letzter die Zulassung für die Fokker 100.
![]() Die Geschäftsführer W. Krauss und R. Knäblein |
![]() Lizenzurkunde der 14 zugelassenen Fokker-Piloten. |
Ende 1991 waren weit über 20.000 Passagiere befördert worden. Für 1992 erwartete man 66.000 Passagiere und einen Umsatz von 20
Millionen DM. Für 1993 mit den zwei Fokker 100 zusätzlich (Ende 92 die F-GIOX und im April 1993 die F-GIOV) rechnete der Verkaufsleiter
Volker Westphal mit einer Verdopplung der Passagierzahlen. Der Umsatz sollte von 18,6 auf ca. 46 Millionen DM steigen. Damit hätte die
BERLINE aber immer noch nicht schwarze Zahlen geschrieben. Personal- und Wartungskosten, Standgebühren, Überflugsgebühren, Kerosin,
Mieten und notwendige Investitionen belasten die junge Fluggesellschaft erheblich. Nach 3 Betriebsjahren war damit zu rechnen,
dass Berline aus den roten Zahlen herauskommen würde. Leider ist der Schuldenberg ständig mitgestiegen. Noch im Dezember 1993 verhängt
die französische TAT Startverbot für die beiden Fokker 100 und lässt sie nach Frankreich zurückführen. Die Geschäftsführer waren Tag und
Nacht in ganz Europa unterwegs, um einen Bankkredit zu bekommen.
Zum 10.02.1994 beliefen sich die Forderungen seitens FBS (Flughafen Berlin-Schönefeld) für die Miete 07/93 - 02/94, Landegebühren,
Mietnebenkosten und Sonstiges bereits auf 1.893.971 DM.
Gehaltszahlungen kamen ab jetzt nur noch unregelmäßig und die ersten Krankenkassenbeiträge wurden nicht mehr abgeführt. Die Schulden
stiegen 1994 auf fast 12 Millionen DM. Alle Bemühungen seitens der Gesellschafter um Bankkredite und Unterstützung beim Landesvater
Stolpe und beim regierenden Bürgermeister von Berlin Diepgen waren vergebens. Es durfte nicht sein.
Weil kein Geld für Löhne vorhanden war, arbeitete die Belegschaft freiwillig ohne Bezahlung weiter. Es wurde Kurzarbeitergeld beantragt,
doch die anderen arbeiten voll weiter. Das Geld teilen sie untereinander auf und ein paar ganz dringende Rechnungen wurden davon auch
beglichen.
Bereits im ersten Jahr beim Aufbau der Airline hatten überzogene Preisforderungen den wirtschaftlichen Betrieb der Berline hoch
belastet. Nachfolgend einmal nur vier Beispiele. Für die D-AOAQ musste die Berline 225.000 DM bezahlen. Ein Preis weit über den Verkehrswert
des Flugzeuges. Für Material und notwendige Ersatzteile 192.885 DM und für notwendige Büroausstattungen von der Interflug 22.776 DM. Die
Anwaltskosten von Wellensiek&Partner, 2.670 DM, oben drauf.
![]() 225.000 DM für die D-AOAQ |
![]() Material und Ersatzteile für die Il-18 192.885 DM |
![]() Büroausstattungen 22.776 DM |
![]() Anwaltskosten Wellensiek&Partner |
Die Fokker-Piloten hatten vorübergehend das Glück, an die Deutsche BA ausgeliehen zu werden. Der Stamm der von der Friedrichshafen
Air übernommenen DBA-Piloten hatte die Fokker 100-Ausbildung teiweise noch nicht abgeschlossen. Die Basis der Deutschen BA war
Tegel-Nordteil und ich flog das erste mal am 30.03. 1994 für DBA zwei mal nach Köln/Bonn und zurück. Im April verlegte aber die DBA
ihre Basis nach München und wir flogen dann bis Ende Juni 1994 von München und von Tegel aus Innlandlinien und Europa-Charter. Die
Einsätze waren häufig kurzfristig und per Telefon vergeben worden und mit Übernachtung in München verbunden. Wir waren aber froh, überhaupt
fliegen zu können, im Gegensatz zu unseren Kollegen auf der Il-18. Kein Wunder, wenn sie wieder einmal neidisch auf uns waren.
Erst hatten sie auf ihre Abfindung verzichtet und nun durften sie gar nicht mehr fliegen, da die 5 Il-18 zur Konkursmasse gehörten
und "an der Kette" lagen.
Im April 1993 tauchen plötzlich die zwei "Schein"-Piloten Uwe Krampe (40) und Serge Steinkamp (29) auf und erwarben die Geschäftsanteile
der Berlin und der Insolvenzantrag wurde zurückgezogen. Der Kaufpreis entsprach dem Stammkapital von 250.000,00 DM. Sie versprachen
eine 150-Millionen-Dollar-Spritze, die nie eintraf. Nebenbei betrieben sie noch die Fluggesellschaft Marina Air und ein Reisebüro
am Wittenbergplatz. Wir erinnern uns heute noch an ihre Show im großen Hangar, als Uwe Grampe in der Uniform eines Flugkapitäns vor
der versammelten Belegschaft der Berline für jeden eine Flasche Sekt verteilen ließ und von der Zukunftsvision ihres Unternehmens
German European Airline GmbH GEA mit 28 Boeing 737 sprach. Leider ist die 150-Dollar-Spritze nie angekommen. Es war alles Betrug.
Der Schuldenberg der Berlin stieg kontinuierlich weiter. Der Verkaufsleiter der BERLINE, Volker Westphal, recherchierte und entlarvte
die beiden Betrüger. Aus der Belegschaft erfolgten mehrere Konkursanträge und Starfanzeigen beim Arbeitsgericht Potsdam. Die beiden
Betrüger wirtschafteten aber unbehelligt weiter und antworteten mit einer Klage gegen die früheren Geschäftsführer Knäblein und Krauss.
Bis die Gerichte handelten vergingen noch Monate. Am 28. Oktober wurde der endgültige Konkurs eingeleitet. Reinhard Knäblein sprach einst
von Stoff für einen Krimi, den er in einem Buch irgendwann veröffentlichen möchte. Leider ist es bis heute nicht dazu gekommen. Viele
der enttäuschten ehemaligen BERLINE-Mitarbeiter sind seit vielen Jahren verbittert und haben sich zurückgezogen. Wer damals schon über
die Fünfzig war, hatte so gut wie keine Chance, in der Luftfahrtbranche wieder eine entsprechende Anstellung zu bekommen.
Nach fast 7 Jahren waren die Anklagepunkte vor Gericht "verschleppter Konkurs, Betrug zuungunsten des Arbeitsamtes und Vorenthaltung
von Sozialbeiträgen". Mit je 30.000,00 DM Geldbuße für Reinhard Knäblein und Wolfgang Krauss, die als Geschäftsführer im April 1994
den Konkurs ihres 180 Beschäftigte zählendes Unternehmens das erste mal anmelden mussten. Den Großteil der hunderttausende nicht
abgeführten Sozialbeiträge müssen beide nach Vergleich mit den Krankenkassen aus ihrem Privatvermögen in Raten abzahlen.